Wenn Roman Thum den gro\u00dfz\u00fcgigen begehbaren Tiefk\u00fchlraum betritt, ist man versucht, das Geschlechter\u00adstereotyp von Frauen und dem Traum vom Ankleide\u00adraum zu bem\u00fchen. \u201eIch hatte bisher nur Truhen, keinen begehbaren Tiefk\u00fchl\u00adraum\u201c, hat der Fleischhauer kurz vorher gesagt. Er f\u00fchrt das Wiener Traditions\u00adunternehmen Thum Schinken mit seiner Frau Jara in f\u00fcnfter Generation. Und hat vor vier Jahren eine Entscheidung getroffen, deren soeben erfolgte Umsetzung f\u00fcr seinen Vater \u201eein Horrorfilm\u201c sei: Roman Thum ist mit seinem Unternehmen vom f\u00fcr viele Wiener legend\u00e4ren Sitz in der Margaretenstra\u00dfe an den Stadtrand gezogen, nach Inzersdorf. (Die Adresse Margaretenstra\u00dfe hat es allerdings nicht schon ewig gegeben, wie viele glauben, sondern \u201eerst\u201c seit 1984.)<\/p>\n
Romantisieren ist in der Lebensmittel\u00adproduktion selten sinnvoll.<\/h4>\n
Ende des K\u00fchlraum-Tetris. Die R\u00e4umlich\u00adkeiten in der Triester Stra\u00dfe sind ungleich gr\u00f6\u00dfer. Die Zahl der Mitarbeiter in der Produktion (haupts\u00e4chlich Schinken) \u2013 drei plus Roman Thum selbst \u2013 ist gleich geblieben, was vorerst f\u00fcr viel Platz sorgt. Sehr viel Platz und sehr viel Licht. \u201eWir waren davor ja ein \u00fcber die Jahrzehnte gewachsener Betrieb, die Arbeits\u00adabl\u00e4ufe waren nicht so rund. Manche Kiste haben wir 25 Mal in die Hand genommen. Im K\u00fchlraum haben wir Tetris gespielt. Meine Frau hat immer gerufen, ,nicht so hoch!\u2018, aber wenn es in der Ebene nicht mehr ging, musste man eben in die H\u00f6he schlichten.\u201c Innerst\u00e4dtisch zu produzieren ist f\u00fcr einen Betrieb, der jedes Jahr ein bisschen w\u00e4chst, nicht einfach, \u201enicht nur in den Sto\u00dfzeiten, zu Ostern oder zu Weihnachten\u201c – Stichwort Anlieferung, Parkpl\u00e4tze. Jetzt, in dieser genau geplanten, gro\u00dfen, modernen Produktions\u00adhalle, gibt es \u201ekeinen Weg, der \u00fcberkreuz ist. Anliefern, k\u00fchlen, salzen, K\u00fchlraum.\u201c Eine architek\u00adtonisch klar vorgegebene Produktions\u00adkette ab der Anlieferung der Fleisch\u00adteile im Hof.<\/p>\n
Ins romantische Bild von altem Handwerk f\u00fcgt sich diese st\u00e4hlern-helle hohe Halle nicht, gibt Roman Thum zu, auch wenn, was das Endprodukt betrifft, genauso gearbeitet wird wie bisher: Die burgenl\u00e4ndischen Mangalitza\u00adschweine sind die gleichen, die selbst\u00adgemachten Gew\u00fcrz\u00admischungen wird man genauso wenig durch Glutamat\u00adware ersetzen wie das Prinzip der h\u00e4ndischen Ader\u00adp\u00f6kelung bei Beinschinken und Zunge durch Fleisch\u00adkleber\u00adbasteleien. Der neue, n\u00fcchterne Standort von Thum Schinken ist ein Beispiel daf\u00fcr, dass Romantisieren in der Lebens\u00admittel\u00adproduktion selten sinnvoll ist. Es mag verst\u00e4ndlich sein, dass Milch\u00adschokolade\u00adfirmen lieber Sennerinnen mit Flecht\u00adfrisur zeigen denn R\u00fchr\u00adkessel aus Stahl oder dass in der Tourismus\u00adwerbung reizende uralte Oliven\u00f6l\u00adm\u00fchlen das sch\u00f6nere Bild ergeben \u2013 deren unerw\u00fcnscht oxidiertes \u00d6l w\u00fcrde aber keinen Preis gewinnen. Zur\u00fcck zum Schinken: Bessere K\u00fchl\u00adanlagen, die sich im Sommer auch weniger plagen, erm\u00f6glichen eine l\u00e4ngere Haltbarkeit, und eine elektrische Hebe\u00advorrichtung ist f\u00fcr die Mitarbeiter angenehmer als \u201edas dauernde h\u00e4ndische Heben von achtzig Kisten\u201c. \u201eEs ging nicht um Industriali\u00adsierung\u201c, sagt Roman Thum \u00fcber den Orts\u00adwechsel an die Peripherie Wiens. \u201eIch h\u00e4tte nie einen Cent investiert, um Supermarkt\u00adketten zu beliefern.\u201c In die Triester Stra\u00dfe\u00a0201 f\u00e4hrt man wegen zehn Deka Bein\u00adschinken vermutlich selten; das Einkaufs\u00adverhalten seiner Kunden sei aber ohnehin kaum jemals dergestalt beschr\u00e4nkt gewesen, erz\u00e4hlt Roman Thum, \u201eau\u00dferdem waren wir vorher auch haupts\u00e4chlich ein Produktions\u00adbetrieb mit sehr knappen \u00d6ffnungs\u00adzeiten im Verkauf, sieben bis zw\u00f6lf.\u201c Den \u00fcber\u00adwiegenden Teil der Abnehmer seiner Schinken, P\u00f6kelzungen oder Salsicce machen Wieder\u00adverk\u00e4ufer und Gastronomie\u00adbetriebe wie Gut Oggau oder das Steirereck aus. An Letzterem k\u00f6nne man auch, meint Thum, ablesen, wie sehr sich das Image von Lebensmittel\u00adproduzenten, der Stellen\u00adwert von schlichten Erzeug\u00adnissen wie seinem Schinken gewandelt hat: \u201eVor zwanzig Jahren h\u00e4tte wohl das Steirereck nie einfach Schinken als Fr\u00fchst\u00fcck serviert.\u201c<\/p>\n<\/div>
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